Lehmhaus des Monats

In dieser Rubrik stellen wir jeden Monat ein Lehmhaus aus Mitteldeutschland vor.

Sie wohnen selbst in einem Massivlehmhaus und möchten es hier vorstellen? Ihr Haus hat eine interessante Geschichte die Sie hier erzählen möchten? Wir besuchen Sie gerne. Kontaktieren Sie uns!


Lehmhaus des Monats November 2024

 

Denk(mal) an Lehm! -

Das Wohnhaus des Fährmanns am Blütengrund bei Großjena, Burgenlandkreis

 

Wer an Denkmäler denkt, dem fallen wahrscheinlich als erstes klassische Denkmalobjekte ein: das Goethe-Schiller Denkmal in Weimar, der Kölner Dom oder aber auch die Meisterhäuser des Bauhaus Dessau. Diese Denkmäler sind oft eng verknüpft mit wichtigen Personen deutscher Geschichte oder sind in ihrer Bauweise ganz besonders imposant. Doch nicht nur Objekte, die besonders aufwendig errichtet oder deren Bewohner in die Geschichte eingegangen sind, werden unter Denkmalschutz gestellt. Häufig sind es auch auf den ersten Blick simpel und unscheinbar wirkende Bauten, die sich als Denkmal entpuppen.

So ein Bau ist das Fährhaus am Blütengrund in Großjena in markanter Lage zwischen den Weinhängen direkt am Zusammenfluss von Unstrut und Saale. Mindestens seit dem Mittelalter hatte der Ort verkehrsgeografische und wirtschaftliche Bedeutung. Noch heute nutzen jährlich hunderttausende Radwanderer, Kultur und Weintouristen die handbetriebene Personenfähre am Blütengrund. Seit wann dort ein regelhafter Fährbetrieb bestand liegt im Dunkel der Geschichte. Das in das 17. bis 18. Jahrhundert datierende, seit jeher als Wohnhaus des Fährmanns bezeichnete Häuschen, spricht dafür, dass hier seit Jahrhunderten regelmäßig der Ruf „Fährmann, hol über!“ zu hören ist.

Das eingeschossige Gebäude mit kleinem Anbau im Westen weist alle klassischen Merkmale eines mitteldeutschen Lehmbaus auf: massiver Steinsockel zum Schutz vor aufsteigender Feuchtigkeit, eine einfache Kubatur und ein Satteldach. Durch Fehlstellen im Putz lässt sich der Lehm gut erkennen, zudem sind die Wetterseite von Haupt- und Anbau geziegelt, um das Material vor Schäden durch Witterung zu schützen.

Das nach wie vor bewohnte Haus steht mit der Begründung unter Denkmalschutz, dass es in seinem Umfang als auch in der Vollständigkeit seiner Erhaltung eindrucksvoll ist. Zudem vermittelt es einen konkreten Eindruck, wie Personen aus ärmeren Bevölkerungsschichten zu dieser Zeit lebten.

Die Denkmalpflege befasst sich nämlich nicht allein damit, Gebäude als Objekte zu erhalten, sondern es geht ihr auch darum, die Lebenswelt vergangener Generationen nachvollziehen zu können. Um den historischen Eindruck dieser Lebenswelt bewahren zu können, gibt es neben der Kategorie des Einzeldenkmals, welches einzelne Objekte wie das hier vorgestellte Haus umfasst, auch die Kategorie des Denkmalbereichs.

Häufig werden ganze Straßenzüge oder auch ganze Dörfer unter Denkmalschutz gestellt, da sie den ursprünglichen Eindruck einer Ortschaft vermitteln. Der Blütengrund zwischen Großjena und Naumburg-Henne ist ein solcher Denkmalbereich.

Bereits seit dem Mittelalter wurde hier gesiedelt und gewirtschaftet, die Landschaft wird vom historischem Gebäudebestand geprägt. Zahlreiche reizvolle Weinberghäuser, Landhäuser, großbürgerliche Villen und auch das Wohnhaus des Bildhauers Max Klinger säumen die Steilhänge entlang der Saale. Auch die Mauer- und Treppensysteme an den Weinhängen sind von besonderer bautechnischer und handwerklicher Qualität und somit bedeutsam. Der Bereich ist ein wirtschaftsgeschichtliches Zeugnis des historischen Weinbaus in der Saale-Unstrut Region und muss somit als Ganzes, mitsamt der Weinberge und dem gewachsenen Gebäudebestand erhalten werden. Um den Erhalt zu sichern, gibt es konkrete Regelungen, die im Denkmalschutzgesetz und im öffentlichen Baurecht festgesetzt sind und durch das jeweilige Denkmalamt festgelegt werden. Für den Denkmalbereich gibt es, genauso wie auch beim Einzeldenkmal, eben solche Vorgaben, deren Einhaltung die Denkmalpflege in Rücksprache mit Bauherren und Eigentümern sichert. So sollten Neubauten im Denkmalbereich, z. B. die Dachform, die Höhe und/oder die Fassadengestaltung der bereits vorhandenen Bauten aufnehmen, um das Bild bzw. den Eindruck des Ortes/Straßenzuges nicht zu stören. Bei Einzeldenkmälern können solche Regelungen z. B. die Erneuerung von Fenstern oder aber auch die geplante Errichtung eines Anbaus betreffen.

Historische Bauten, Bauweisen und Ortschaften sind sowohl materielles als auch immaterielles Kulturgut, welches Aufschluss gibt über die Vergangenheit des jeweiligen Ortes und über die Lebensweise der Personen, die an den Bauten gearbeitet und in ihnen gewohnt haben. Die Aufgabe des Denkmalschutzes ist es, dieses Erbe für nachfolgende Generationen zu erhalten. Im mitteldeutschen Raum bildet der historische Massivlehmbau ein besonderes kulturelles Erbe, welches sich über mehrere Jahrhunderte erstreckt und in seiner Form einzigartig ist. Die Erhaltung und Erforschung des Bestandes ist die zentrale Mission von GOLEHM, die daher auch in Zusammenarbeit mit der regionalen Denkmalpflege stattfindet.

Weitere Impressionen des Hauses findet Ihr auf unseren Facebook- und Instagram-Accounts.

Allen Denkmalliebhabern, Altbaurettern, Lehmfans und Freunden der regionalen Baukultur empfehlen wir einen Besuch bei der Denkmal-Messe 2024 in Leipzig. Auf der europäischen Leitmesse für Denkmalpflege, Restaurierung und Altbausanierung vom 7. bis 9. November 2024 kommt die gesamte Branche zusammen. Parallel findet die Fachmesse Lehmbau statt, die maßgeblich vom Dachverband Lehm e. V. ausgerichtet wird. GOLEHM ist mit dabei! Ihr findet uns in Halle 2, Stand E14. Wir sehen uns!?

Text: Lea Schulte, Norma Henkel
Foto: N. Henkel, GOLEHM


Lehmhaus des Monats Oktober 2024

 

Kaffeegarten Kurzhals in Halle-Böllberg -

Zwischen Kastanienbäumen und Stadtgeschichte

 

Im südlichen Stadtgebiet von Halle, im ehemaligen Fischerdorf Böllberg/Wörmlitz, befindet sich ein wahrer Schatz der Geschichte: der historische Kaffeegarten Kurzhals. Einst ein beliebtes Ausflugsziel, das seine Blütezeit im 19. und frühen 20. Jahrhundert erlebte, steht dieser Ort nun vor einem neuen Kapitel. Mit einem innovativen Nutzungskonzept soll das Ensemble aus historischen Gebäuden zu neuem Leben erweckt werden.

Die Geschichte des Kaffeegartens beginnt im frühen 18. Jahrhundert. Das zweigeschossige Wohnhaus mit dem typischen Krüppelwalmdach, das zum Kaffeegarten gehört, wurde 1751 als Teil eines Bauerngehöfts errichtet. Im Jahr 1830 erwarben der Gastwirt Johann Friedrich Kurzhals und seine Frau den damaligen Bauernhof und eröffneten in den 1850er Jahren eine Einkehrmöglichkeit für Reisende. Sechs Jahre später entwickelte sich daraus der Kaffeegarten. 1882 erfolgte eine umfassende Modernisierung: Kastanienbäume wurden gepflanzt, ein Gebäude mit überdachtem Ausschank für Kaffee und Kuchen errichtet, dazu kamen eine Gartenarkade, ein Musikpavillon und ein großer Saal. Die südliche Bebauung des Kaffeegartens besteht aus dem barocken Haupthaus im Osten, einem Lehmwellerbau im Westen und einem Saaltrakt. Mit der Erweiterung um eine Musikhalle und einem Schießstand erlangte der Kaffeegarten in den 1920er Jahren überregionale Beliebtheit.

Das Ensemble entwickelte sich zu einem beliebten Treffpunkt für Hallenser und Besucher der Region. Nach mehreren baulichen Veränderungen wurde der Kaffeegarten 1980 aufgegeben. Der gastronomische Betrieb wurde bis zur Schließung 2004 noch fortgesetzt. Seit 2008 steht das Gebäude nun komplett leer.

Doch für den Kaffeegarten gibt es nun Hoffnung: im Rahmen der Errichtung des benachbarten Wohnquartiers "Am, Mühlwerder" soll das denkmalgeschützte Anwesen umfassend saniert und für neue Nutzungen erschlossen werden. Um innovative Ideen zu sammeln rief der kommunale Vermieter die "GWG" im Jahr 2020 ein Ideenwettbewerb aus. Architekturbüros präsentierten kreative Ideen und Konzepte für die gewerbliche Neunutzung des Areals. Ziel ist es, die Gebäude zu modernisieren und ihren historischen Charakter zu bewahren. Erweiterungen orientieren sich am historischen Fußabdruck, sodass der Kaffeegarten wieder seine einstige Funktion als beliebter Treffpunkt für Erholungssuchende wird. Mit der anvisierten Wiederbelebung des Kaffeegartens Kurzhals wird nicht nur ein historisches Massivlehmgebäude als Teil der hallenschen Baugeschichte bewahrt, sondern auch wieder ein Ort für Begegnung, Kultur und Erholung geschaffen, der sich harmonisch in die moderne Stadtentwicklung einfügt. Weitere Infos und Bilder bietet die GWG auf der Projektwebsite.

Text: Celina Gibbert
Foto: atelier st, Gesellschaft von Architekten mbH


Lehmhaus des Monats September 2024

 

Zwischen Wald und Feld –

Die Neudecksiedlung in Leubnitz, Lkr. Zwickau

Unser Lehmhaus des Monats führt uns diesmal weit hinaus aus dem Kerngebiet des Massivlehmbaus Mitteldeutschlands in eine kleine Waldsiedlung im westsächsischen Leubnitz bei Zwickau. Umgeben von Feldern, die einst dichte Wälder beherbergten, liegt hier die Neudecksiedlung in der in den 1920er Jahren drei Doppelhäuser Stampflehmbauweise für Forstarbeiter errichtet wurden. Diese Lehmbauten erzählen folglich Geschichten von der harten Arbeit der Forstwirtschaft in den umliegenden Wäldern und einer tiefen Verbundenheit mit der Natur.

Eines dieser Häuser, heute das Haus von Ines und ihrem Mann, wurde 1920/21 erbaut, als die Wälder noch das Landschaftsbild prägten. Der Einzug in das Lehmhaus war an den Beruf von Ines' Mann gebunden, der vom Forstbetrieb in die Landwirtschaft wechselte. Die Lehmbauweise dieser Doppelwohnhäuser ist besonders: Mit ihrem hohen Satteldach und schlichten Design passen sie gut in die Natur, sorgen für ein gesundes Raumklima und bieten gute Isolierung. Die verwendeten Lehmsteine für den Fachwerkgiebel wurden dabei regional hergestellt.

Doch Anfang der 1990er Jahre stand die Zukunft der Neudecksiedlung auf der Kippe: Ein Plan der Treuhandgesellschaft drohte, die alten Lehmhäuser abzureißen.

Für Ines und andere Liebhaber dieser einzigartigen Architektur ein undenkbarer Verlust. Doch ein Leipziger erkannte den historischen Wert der Siedlung und überzeugte die Bewohner, die Häuser unter Denkmalschutz zu stellen. 1995 war es geschafft – die Siedlung war gerettet.

Doch dies brachte neue Herausforderungen mit sich: Die mittlerweile in die Jahre gekommenen Häuser waren in einem desolaten Zustand, die kalten Wände und undichten Fenster machten die Winter zu einer Qual. Ines und ihre Familie mussten handeln und entschieden sich, das Haus unter strengen Denkmalschutzauflagen zu sanieren. Im Jahr 2000 begannen die Arbeiten: Das Dach wurde neu gedeckt, die Gauben restauriert und der Außenputz mit traditionellem Luftkalkputz erneuert.

Heute erstrahlt das Lehmhaus in neuem Glanz. Es ist nicht nur ein Zuhause, sondern ein lebendiges Denkmal, das die Handwerkskunst und Geschichte der Region bewahrt. Die besondere Atmosphäre und das gesunde Raumklima machen es zu einem einzigartigen Rückzugsort, eingebettet in die idyllische Landschaft von Leubnitz.

Text: Celina Gibbert
Foto: GOLEHM/ Celina Gibbert


Lehmhaus des Monats August 2024

 

Gemütlich und gesund –

ein materialgerecht saniertes Bauernhaus in Burghessler, Burgenlandkreis

Fast verfallen, die Wellerlehmwände durchfeuchtet und teilweise herausgebrochen, das Dach marode – in diesem Zustand hat Julia das kleine Bauernhäuschen in der ländlichen Region Finne-Triasland zwischen Naumburg und Bad Bibra übernommen. Das es überhaupt dazu kam, ist vor allem den Vorbesitzern zu verdanken, die das Grundstück nur unter der Bedingung verkaufen wollten, dass das Haus nicht abgerissen wird. Die Liebe und die bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhundert zurückreichende Verbundenheit der Familie zu diesem Häuschen war zu groß. Im Jahr 2019 hat sich Julia an die Rettung gewagt und über die Jahre ein wahres Kleinod geschaffen.

Die Entscheidung fiel dabei aus gutem Grund ganz bewusst auf ein Haus aus Lehm: als Allergikerin und Asthmatikerin lagen für sie die Vorteile des Baustoffs Lehm auf der Hand. Mit seinen optimalen raumklimatischen und schadstoffbindenden Eigenschaften ist der Lehm insbesondere für Allergiker der ideale Baustoff. Konsequent wurde daher bei der Sanierung materialgerecht ausschließlich mit Lehm gebaut: sowohl die Innen- und seltenerweise auch die Außenwände sind heute vollständig mit Lehm verputzt.

Die Liebe der Vorbesitzer für das Haus hat Julia übernommen und es für sich und ihren kleinen Sohn Raban zum Refugium umgestaltet.

Über das Alter des Hauses ist wenig bekannt. Aufgrund seiner Lage unweit der Kirche dürfte es zum ältesten Baubestand des Dorfes gehören, der bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts zurückreicht. Die Bautechnik Wellerlehm gehörte auch in dieser Zeit schon zur üblichen Bauweise der Region, vor allem für die einfacheren Wohnbauten der ländlichen Bevölkerung. Der Giebel und die Zwischenwände sind in Fachwerkbauweise ausgeführt. Wahrscheinlich wurde der Baulehm direkt vor Ort am Fuße eines Hügels an der Südseite des Hauses abgetragen und für die Errichtung der Wellerwände verwendet. Zum Ensemble gehört außerdem auch ein kleines Nebengebäude, das vollständig aus gemauerten Lehmsteinen errichtet wurde.

Weitere Eindrücke aus dem Inneren des Hauses findet Ihr auf unseren Facebook- und Instagram-Accounts.

Text: Norma Henkel
Foto: GOLEHM/ Norma Henkel


Lehmhaus des Monats Juli 2024

 

„Am Sonnabend lag verführerischer Duft in Schleberodas Luft“ -

Das Backhaus in Schleberoda

Malerisch im Norden des Burgenlandkreises gelegen befindet sich das Rundlingsdorf Schleberoda. Das historische Dorf beherbergt allerlei Schätze, unter anderem renaissancezeitliche Portalanlagen, einen Gerichtsstein und natürlich die einzigarte Dorfumfriedung in Form einer um das Dorf geflochtenen Hecke. Um all diese Objekte kümmert sich der Heimatverein Schleberoda e. V., dessen Arbeit im Jahre 2020 mit der Auszeichnung „Dorf mit Zukunft“ belohnt wurde. Unsere Weihnachtsausgabe des LeMo führte uns bereits nach Schleberoda, zu einem Scheunen- und Stallkomplex, der verschiedenste Lehmbauweisen miteinander verband und zugleich zahlreichen Tieren ein Zuhause bietet.

Ein weiterer besonderer Lehmbau liegt ganz zentral im Dorf: das über 200 Jahre alte aus Lehm errichtete Backhaus. Das Backhaus wurde 1789 erbaut und dient bis heute den Bewohnern des Dorfes als Gemeinschaftsbäckerei. Im Laufe der Jahrhunderte wurde das Backhaus mehrfach saniert und z. B. durch elektrische Beleuchtung ergänzt, 2017 wurde der Innenraum des Baus zuletzt mithilfe einer Förderung des Landes Sachsen-Anhalt saniert.

Zentral in der Mitte des Dorfes gelegen folgt das Haus einer alten Bautradition. Backhäuser finden wir auch in anderen mitteldeutschen Dörfern wie z. B. in Langenroda. Die Bauten dienten ursprünglich dem Brandschutz, sind doch Rundlingsdörfer wie Schleberoda mit ihren eng gesetzten Wohnhäusern besonders gefährdet, sollte eines der Wohnhäuser Feuer fangen. Zu Zeiten, in denen Backöfen und Herde noch mit offenem Feuer und nicht wie heutzutage mit Strom oder Gas betrieben wurden, ging es stets mit einem Risiko einher, im eigenen Haus zu backen.

Indem Anwohner nur im stets etwas isoliert stehenden Backhaus backen konnten, sank das Risiko von Hausbränden. Falls das Backhaus Feuer fangen sollte, würde nur dies ausbrennen und der Rest des Dorfes bliebe verschont. Der direkt daneben liegende Dorfteich bot indes leichten Zugang zu Löschwasser. Zudem wurde die Versorgung der Anwohner mit Brot und anderen Backwaren durch den vor Ort tätigen Bäcker gesichert, in Schleberoda hielt sich diese Tradition bis ins Jahr 1992.

Backhäuser sind heutzutage leider selten geworden, fielen viele von ihnen doch entweder dem Abriss oder Verfall zum Opfer. Zudem wurden historische Backhäuser im mitteldeutschen Raum häufig z. B. in Gartenlauben oder Lagerschuppen umfunktioniert. Insofern stellt das traditionell genutzte Backhaus Schleberodas eine Besonderheit dar. Heute wird an Feiertagen wie Ostern oder Pfingsten in Schleberoda wieder Osterbrote, Speckkuchen, Brot und Pizza gebacken, zur Weihnachtszeit kommen auch die Stollen natürlich nicht zu kurz. Insbesondere für die Stollen spielt der historische Backofen eine besondere Rolle, schwören doch die Anwohner darauf dass „nur der „altdeutsche“ Backofen dem Geschmack der Stolle den unverwechselbaren Schliff verpassen kann“, wird der auch als ehrenamtlicher Bäcker tätige Bürgermeister auf der Backhaus-Website von Schleberoda zitiert.

Weitere Fotos vom Backhaus und dem historischen Ofen findet Ihr auf unseren Facebook- und Instagram-Accounts.

Text: Lea Schulte
Foto: GOLEHM/ Lea Schulte


Lehmhaus des Monats Juni 2024

 

An der Saale hellem Strande -

Fischerhäuser in Halle-Kröllwitz

Im Juni dieses Jahres jährt sich das große Hallenser Hochwasser des Jahres 2013 zum bereits 11. Mal. Viele Bewohnerinnen und Bewohner werden sich bestimmt noch an die vollgelaufenen Keller, überschwemmten Straßen und an das Füllen der Sandsäcke auf dem Hallenser Marktplatz erinnern. Eine Frage, die abseits von der Sorge um das eigene Hab und Gut in diesem Kontext oft auftaucht sind die Schäden, die Hochwasser an Gebäuden verursacht. Von dieser Frage sind auch die zahlreich in Halle verorteten Lehmbauten nicht ausgenommen.

Ein schönes Beispiel von historischen Lehmbauten die sich, trotz Hochwasserrisiko, in direkter Nähe eines Gewässers befinden ist ein Trio aus Bauten im Stadtteil Kröllwitz im Norden Halles. Malerisch an der Saale gelegen finden sich hier drei Fischerhäuser, von denen eines bis vor kurzem noch eine Töpferei mitsamt Keramikverkauf beherbergte. Vom Bautypus her sind die Häuser gleich: einstöckige Gebäude in Wellerlehmbauweise mit einem Krüppelwalmdach und großer Gaube, einem schmückenden Dachgiebel sowie einem massiven Sockel. Die Häuser unterscheiden sich einzig durch ihre Putzfarbe und ihre Ausrichtung zur Straße. Das südlichste der Häuser, 1799 erbaut, steht unter Denkmalschutz und bildet mit dem Rest des Gebäudeensembles ein sozial- und wirtschaftsgeschichtliches Zeugnis des alten Kröllwitz. 

Auf den ersten Blick erscheint es widersprüchlich Bauten aus einem wasserempfindlichen Material in direkter Nähe eines Gewässers zu errichten.

Forschung und handwerkliche Erfahrungen zeigen jedoch, dass sowohl der Massiv- als auch der Leichtlehmbau sehr wohl widerstandsfähig gegenüber Wasserschäden ist. In erster Linie schützt der Sockel gegen aufsteigende Feuchtigkeit und Wasser bis zu einer gewissen Höhe. Jedoch auch im Falle eines Hochwassers und dem damit verbundenem direkten Wasserkontakt besteht zunächst kein Anlass zur Panik: vorausgesetzt, dass der Wasserstand zeitnah wieder sinkt, ist nicht mit großen Schäden zu rechnen. Problematisch wird es für gewöhnlich erst, wenn Holzbauteile oder der Baustoff an sich beginnen zu schimmeln. Da Lehm plastisch, also nass verbaut wird, kann der Baustoff nach Kontakt mit Wasser für gewöhnlich wieder austrocknen und muss dann eventuell nur etwas nachgearbeitet werden.

Insofern ergibt es durchaus Sinn, insbesondere wie im Falle der Kröllwitzer Fischerhäuser, Lehmhäuser trotz direkter Nähe zu einem Gewässer zu errichten. Lehm als lokaler und günstiger Baustoff eignete sich perfekt für die an der Saale ansässigen Fischer um einfache und zugleich robuste Wohnhäuser zu errichten, an denen eventuell entstehende Schäden durch die Bewohner selbst leicht ausgebessert werden konnten. Die Lehmhäuser von Kröllwitz spielten – genau wie ihre Bewohner – eine wichtige Rolle für die historische Fischereikultur Halles und bilden heutzutage nach wie vor ein historisches Zeugnis eines der ältesten Viertel der Stadt.

Weitere Fotos der Fischerhäuser findet Ihr auf unseren Facebook- und Instagram-Accounts.

Text: Lea Schulte
Foto: GOLEHM/ Lea Schulte


Lehmhaus des Monats Mai 2024

 

Plötzlich in Mötzlich -

saniertes Bauernhaus bei Halle

Häuser sind nicht nur die Orte an denen wir wohnen, sondern sie spielen auch fürs (Familien-)Leben eine zentrale Rolle. Ein leuchtendes Beispiel für die Verknüpfung von Architektur und Leben ist unser Lehmhaus des Monats Mai, ein Fachwerkhaus mit Massivlehmstock in Mötzlich, bewohnt und saniert von der Familie Weigmann.

Im Jahr 2015 erwarb Familienvater Frieder das historische Gebäudeensemble, bestehend aus einem giebelständigen Wohnbau mit direkt an der Straße traufseitig anliegenden Nebenbauten. Das Wohnhaus wird auf ca. 200 Jahre alt geschätzt, die anschließenden Bauten sind vermutlich älter.  Die Sanierung des Wohnbaus dokumentiert der Eigentümer online auf seinem Blog „Plötzlich in Mötzlich“. Anfangs mussten zunächst große Mengen an Schrott und Schutt beseitigt sowie zahlreiche Wände durchbrochen werden, um mehr Platz zu schaffen. Im Laufe der Jahre wurden Stromkabel verlegt, Gefache neu ausgeziegelt, Fenster und Türen neu eingebaut, Wände verputzt und auch der Garten wurde fleißig umgestaltet.

Bei der Sanierung des Hauses wurde mit verschiedenen Lehmbaustoffen und -techniken gearbeitet, sowohl alter als auch neuer Lehm fanden hier Verwendung. So ist der Großteil des Erdgeschosses in massiver Wellerlehmbauweise ausgeführt, während das Ober- und Dachgeschoss aus Sichtfachwerk mit Lehmausfachung gestaltet wurde.

Doch die Zusammensetzung des Baus beschränkt sich nicht nur auf Lehm.  An der westlichen Giebelseite und der nördlichen Traufseite des Gebäudes sind verschiedene Sorten Ziegel, sowohl historisch als auch neu, verbaut. Von den Öfen über den Lehm bis zu den Ziegeln wurde stets darauf geachtet, bereits vorhandenes Material zu nutzen und wiederzuverwenden. Nachhaltigkeit, direkt in die Praxis umgesetzt.

Stets mit dabei bei den Bauarbeiten: die große Familie des Eigentümers. Von klein bis groß packt jeder mit an, egal ob es um das Anrühren von Lehm, das Zuschneiden von Dämmplatten oder Schleppen von Baumaterial geht. Arbeiten mit Lehm ist wortwörtlich, kinderleicht. Für den Sohn Niklas spielt das Haus auch abseits von seiner Funktion als Familienheim eine wichtige Rolle. Das Aufwachsen auf der Baustelle inspirierte ihn selbst Zimmerer zu werden, seit September 2023 ist er nun schon auf der Walz.

So bunt wie die Familie die drin wohnt ist auch ihr Wohnhaus, welches beweist, dass ein Bau eben nicht gleichförmig und einheitlich gestaltet sein muss um schön zu sein.

Weitere Fotos die den Prozess der Sanierung und die einzigartige Zusammensetzung des Wohnhauses zeigen findet Ihr auf unseren Facebook- und Instagram-Accounts.

Text: Lea Schulte
Foto: GOLEHM/ Norma Henkel


Lehmhaus des Monats April 2024

 

Scheune zu Wohnhaus – ein Holzhaus im Lehmmantel

Der Ort Zschortau rund 15 Kilometer nördlich von Leipzig im Landkreis Nordsachsen ist ein typisches Dorf des Leipziger Umlandes mit altem, jedoch häufig überprägtem Baubestand und ergänzt durch moderne Neubauten. In zentraler Ortslage nahe des Dorfteichs haben sich Stefanie und Volker hier ein ganz besonderes Refugium geschaffen. Den Dreiseithof bestehend aus Wohnhaus, Scheune und Stallungen haben sie aus dem seit 300 Jahren bestehenden Familienbesitz übernommen und alsbald den Entschluss gefasst die Wellerlehmscheune zum Wohnhaus umzubauen.

Die Ausgangslage dafür war speziell aber ideal: laut Bauunterlagen wurde die Scheune im Jahr 1923 errichtet – für einen Wellerlehmbau daher verhältnismäßig jung und daher in ihrer Substanz noch sehr gut erhalten. Mit einem Alter von rund 100 Jahren ist die Scheune das jüngste Gebäude des Dreiseithofes. Das spezielle an diesem Bauwerk war, dass die Scheune ursprünglich als großer offener Raum ohne Innengliederung bzw. ohne unterteilende Innenwände errichtet worden war, die so als Getreidelager und Unterstellplatz für landwirtschaftliche Geräte und Fahrzeuge diente. Aufgrund dessen wurden mit dem Architekten Hartmut Sebastian Schneider aus Leipzig Pläne geschmiedet, im Rahmen derer am Ende ein moderner Holzständerbau innerhalb der historischen Wellerlehmmauern nach dem Haus-in-Haus-Prinzip eingesetzt wurde.

Die historische Scheune weist dabei typische Merkmale der jüngeren Wellerbauweisen des beginnenden 20. Jahrhunderts auf. Während in dieser Zeit die Wohnbauten meist in der sich ab Ende des 19. Jahrhunderts durchsetzenden Ziegelbauweise errichtet wurden, wurden Wirtschaftsgebäude noch bis in die Nachkriegszeit hinein in Lehmwellertechnik errichtet.

Diese Bauten wurden in ihrer Konstruktion an veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen angepasst und beeindrucken oft durch enorme Abmessungen. Bevölkerungswachstum und Industrialisierung führten ab Ende des 19. Jahrhunderts zu Produktionssteigerungen und erforderten größere Lagerräume für Geräte und Getreidegüter. Die Zschortauer Scheune zeugt von diesen Veränderungen und weist entsprechende konstruktive Details der baulichen Anpassungen der Wellerlehmbauten auf, wie etwa der Einbau von mächtigen Wellerlehmpfeilern zur Queraussteifung der großen Wandlängen und verstärkte angerundete Gebäudeecken im Inneren.

Nach einem Jahr intensiver Bauphase sind Stefanie und Volker im Jahr 2018 noch in die Baustelle eingezogen und haben so nach und nach die Scheune umfassend saniert. Durch den Erhalt der originalen Öffnungen als Fenster, wurde der Scheunencharakter bewahrt. Das Dach wurde komplett erneuert und mit einer mittig eingeschnittenen Dachterrasse die Belichtung im Wohnbereich reguliert. Die Wellerlehm-Außenwände und ihre konstruktiven Elemente wurden in den Holzbau integriert und miteinander verbunden.

Den Bauherren ist damit nicht nur der behutsame Erhalt der denkmalgeschützten Bausubstanz geglückt, sondern auch ein hervorragendes Beispiel für die moderne und nachhaltige Umnutzung der regional typischen Massivlehmbauten Mitteldeutschlands. Wir hoffen, dass sich noch viele Nachahmer finden werden.

Weitere Impressionen aus dem Inneren des Scheunenumbaus findet Ihr auf unseren Facebook- und Instagram-Accounts.

Text: Norma Henkel
Foto: GOLEHM/ Norma Henkel


Lehmhaus des Monats März 2024

 

Alles nur Fassade -

Verborgene Lehmhäuser in Großwilsdorf, Burgenlandkreis

In vielen Lebensbereichen lohnt es sich, einen Blick hinter die Fassade zu werfen, verbirgt sich dahinter doch zumeist ein Schatz. Genau dies trifft auch auf die Häuser in Großwilsdorf bei Naumburg zu, einem 130-Seelen Dorf im Burgenlandkreis in Sachsen-Anhalt. Das als Rundling gegliederte Dorf ist bereits seit 1279 urkundlich bekannt; der Großteil der heutigen Bebauung stammt aber aus dem 18. und 19. Jahrhundert – der Blütezeit des Massivlehmbaus in Mitteldeutschland. Wie bei Rundlingsdörfern üblich, sind die Häuser kreisförmig um einen zentralen Dorfplatz mit nur einem Zugang gruppiert, stets giebelständig zum Zentrum ausgerichtet. Der in der Mitte befindliche Dorfteich entstand häufig durch die Entnahme von Lehm als Baustoff für die umliegenden Häuser und diente später als Wasserentnahmestelle. In Großwilsdorf wird ein typisches Phänomen besonders deutlich: bei nahezu allen Wohnhäusern des Dorfes handelt es sich um Massivlehmhäuser – nur ist das bei keinem davon äußerlich ersichtlich. Der Großteil der Häuser ist entweder verputzt oder an der Giebelseite zur Dorfmitte hin verklinkert. Im Inneren des Rundlings reihen sich Bauten mit teilweise kunstvoll gestalteter Klinkerfassade aneinander. Kaum jemand würde erkennen, dass es sich hier fast ausschließlich um Massivlehmhäuser handelt.

Die „Tarnung“ von Lehmhäusern mithilfe von vorgesetztem Ziegel- oder Klinkermauerwerk ist ein Phänomen welches uns häufig begegnet. Oft wurde insbesondere die straßensichtige Wand vor die Lehmwand gesetzt oder die Giebelseite als einzige in Ziegelmauerwerk errichtet. Natürlich geschah dies teils um die Wetterseite des Hauses zu schützen, aber auch um das tatsächliche Baumaterial Lehm zu verbergen. Dem Lehm hing schon im 18. und 19. Jahrhundert der Ruf als Baustoff der „armen Leute“ an und galt somit als minderwertig.

Die Bewohner schämten sich für ihre aus „Dreck“ erbauten Häuser. Wer es sich leisten konnte baute sich ein Haus aus Ziegeln oder Naturstein oder versteckte eben die Bausubstanz hinter einer Klinkerfassade. Diese fehlende Wertschätzung und Vorurteile gegenüber Lehm haben sich bis in die heutige Zeit erhalten.

Das Image des Baustoffs Lehms zu verbessern und ein Umdenken anzustoßen ist ein zentrales Anliegen der GOLEHM-Initiative. Großen Teilen der Öffentlichkeit sind weder die Vorteile des Baustoffs Lehm bekannt noch die Nachteile und problematischen Aspekte konventioneller Baustoffe. Lehm ist kein minderwertiger Baustoff, sondern ein ausgesprochen nachhaltiger und zukunftsfähiger Baustoff, der in Punkto Wohngesundheit, Raumklimatik, Recyclingfähigkeit, Langlebigkeit und Umweltverträglichkeit anderen Baustoffen weit voraus ist. Er ist zudem zentraler Bestandteil der mitteldeutschen Kulturlandschaft – ein Schatz den es zu bewahren gilt. Die Massivlehmbauten stellen eine architektonische Besonderheit dar, die in dieser Dichte in keiner anderen Region Deutschlands anzutreffen ist – ein fast unbekanntes Alleinstellungsmerkmal Mitteldeutschlands. Den bereits vorhandenen Baubestand zu bewahren und den Neubau mit Lehm zu fördern ist daher unser erklärtes Ziel, im Sinne des Klima- und Umweltschutzes. Nicht zuletzt sollte das Massivlehmbauerbe als besonderer Teil der traditionellen, regionalen Baukultur auch als Teil der kulturellen Identität Mitteldeutschlands begriffen werden.

Weitere Fotos der Lehmhäuser von Großwilsdorf findet Ihr auf unseren Facebook- und Instagram-Accounts.

Text: Lea Schulte & Norma Henkel
Foto: GOLEHM/ Norma Henkel


Lehmhaus des Monats Februar 2024

 

Es war einmal ... ein Lehmhaus  –

abgerissenes Wohnhaus im Advokatenweg in Halle

Unser Lehmhaus des Monats Februar ist eines von Vielen die nicht mehr existieren. Die Reste liegen versteckt hinter einem Bretterzaun auf einem zugewucherten Grundstück. Vor etwas mehr als 200 Jahren, um 1800, wurde im Advokatenweg in Halle ein Wohngebäude aus Massivlehm mitsamt Nebengelassen und einem Stallgebäude errichtet. An das Haus schloss sich ein großer Garten mit Streuobstwiese an. Das einst prachtvolle Bauensemble wurde jedoch im Laufe der Jahrzehnte stärker und stärker vernachlässigt: Ende des 20. Jahrhunderts wohnte nur noch ein Mieter im Haupthaus, die Nebengebäude waren zuvor bereits Brandstiftung zum Opfer gefallen und daraufhin eingestürzt. Im Jahre 2000 registrierte die hallesche Denkmalpflege einen Brand im Haupthaus, welcher vermutlich Resultat ungenügender Sicherung war. 2004 erfolgte, nachdem die Wände des Hauses durch eindringende Feuchtigkeit in sich zusammengerutscht waren, der Abriss. Heutzutage sind die Überreste des Baus nur noch in Form eines kleinen Erdhügels auf dem Grundstück zu erahnen.

Der stetige Verfall des Bauensembles wurde vom Arbeitskreis Innenstadt e. V. über Jahre hinweg dokumentiert. Bereits 1999 verwies der Verein auf den besorgniserregenden Zustand des Lehmbaus und betonte seine wichtige Rolle als Zeugnis des einstigen Dorfes Giebichensteins.

Der frühere dörfliche Baubestand, vorrangig in Massivlehmbauweise errichtet, prägte damals diesen Teil des heutigen Stadtgebietes von Halle, wurde jedoch im Zuge der Ausdehnung des Stadtgebietes durch gründerzeitliche Neubauten verdrängt. Im Advokatenweg reihten sich ursprünglich viele Lehmbauten aneinander, von denen das hier vorgestellte abgerissen wurde und ein anderes im Jahr 2003 einstürzte. Ein letztes Überbleibsel dieser präurbanen Bebauung im Advokatenweg ist ein benachbartes Wohnhaus in Wellerlehmbauweise, des glücklicherweise materialgerecht saniert und sein Erhalt damit gesichert wurde (am linken Bildrand zu erkennen).

Abriss und Vernachlässigung von historischen Massivlehmbauten verändern das Stadtbild maßgeblich, mit jedem verschwundenen Haus geht immer auch ein Stück hallesche Stadtgeschichte verloren. Umso wichtiger ist es daher die noch vorhandenen Bauten zu dokumentieren und zu erhalten. In unserem Atlas der Massivlehmbauten Mitteldeutschlands ist der hallesche Bestand schon weitgehend erfasst und mit Fotos hinterlegt. Kennt Ihr noch ein Lehmhaus in Halle, dass hier noch fehlt? Meldet es gerne!

Text: Lea Schulte
Foto: GOLEHM/ Norma Henkel; montiertes SW-Foto: Arbeitskreis Innenstadt e. V. (Hrsg), Hallesche Blätter 26 (2004), S. 22.


Lehmhaus des Monats Januar 2024

 

Lehmscheune der Rückis –

Umbau einer Wellerlehmscheune zum Wohnhaus in Pouch

Seit 2020 verwirklichen Stefanie Rückauf und ihre Familie einen Traum: den Umbau einer alten Wellerlehmscheune zum Wohnhaus. Diese ist Teil eines kleinen Dreiseithofes in Pouch bei Bitterfeld, der sich seit jeher in Familienbesitz befindet. Die Vorfahren haben am Bau der 1912 errichteten Scheune sogar noch mitgewirkt, wie alte Unterlagen belegen. Ursprünglich wurde die Scheune als Stall für Rinder und Pferde, Unterstand für Landmaschinen und als Heulager genutzt. Mit dem Familienzuwachs und dem veränderten Platzbedarf wuchs nach und nach die Idee die Scheune umzunutzen und zum Wohnhaus auszubauen. Mit dem wachsenden Bewusstsein für den Baustoff Lehm keimte gleichzeitig auch der Wunsch, die Scheune ökologisch und materialgerecht zu sanieren. Durch einen GOLEHM-Flyer erfuhr Stefanie zufällig auch von unserer Initiative und meldete sich kurzerhand in unserem Büro. Seit 2021 begleiten wir die Familie bei Ihrem Vorhaben, vermitteln bei Fachfragen im GOLEHM-Bündnis und sind regelmäßig auf der Baustelle zu Gast.

Auf dem eigens angelegten Instagram-Account lehmscheune_der_rueckis dokumentiert Stefanie Rückauf den Baufortschritt an der Scheune übrigens in all seinen Facetten.  

Mit viel Eigenleistung und Unterstützung durch einen KfW-Kredit wird nun seit 2022 in jeder freien Minute gewerkelt. Inzwischen ist das alte Hoftor durch eine Fensterfront ersetzt. Auch die Küche ist schon funktionstüchtig. Die ursprüngliche Gliederung der Scheune mit den verschiedenen Ebenen des Heubodens wurde unter möglichst weitgehender Erhaltung der Bausubstanz beibehalten. Dabei kommen mehrere Lehmbauweisen zum Einsatz. Einige Wellerlehmwandteile wurden mit Lehmsteinen neu aufgemauert, der Kniestock im Obergeschoss wurde gestampft. Bald werden die Wände mit Lehm verputzt.

Stefanie Rückauf ist auf diesem Hof aufgewachsen. Mit der Umnutzung der Scheune erhält sie nicht nur das Familienerbe, sondern auch die regionale Baukultur der Region. Gebäude aus Massivlehm gehören auch im Bitterfelder Raum zum traditionellen Baubestand. Die Umnutzung der Scheune ist für uns ein Paradebeispiel, dass im Erhalt des Massivlehmbauerbes Mitteldeutschlands großes Potential für klimagerechtes und wohngesundes Bauen steckt.

Folgt dem Baustellen-Tagebuch auf Instagram: lehmscheune_der_rueckis

Weitere Fotos der Lehmscheune findet Ihr auf unseren Facebook- und Instagram-Accounts.

Text: Norma Henkel
Foto: GOLEHM/ Norma Henkel; montiertes SW-Foto: Bauherrin


Lehmhaus des Monats Dezember 2023

 

Mit Ochs aber ohne Esel - Ein Stall in Schleberoda

Unser Lehmhaus des Monats Dezember strahlt weihnachtliche Stimmung aus: ein Ochse sowie einige Ziegen, Rinder und Pferde leben in einem historischen Zweiseithof mit Scheunen- und Stallkomplex in Schleberoda Seite an Seite. In dem bereits 1308 ersterwähnten und städtebaulich bemerkenswerten Dorf im Burgenlandkreis sind zahlreiche Lehmbauten erhalten, darunter vor allem Wohnhäuser und Wirtschaftsgebäude sowie einem im Ortskern lokalisierten Backhaus, welches heutzutage nach wie vor von den Bewohnern des Dorfes für gemeinsames Backen genutzt wird. Schleberoda ist als Rundlingsdorf, mit kleinen Bauerngehöften die stern- oder keilförmig um den Dorfanger mit Dorfteich gruppiert sind, noch in seiner ursprünglichen bis ins Mittelalter zurückreichenden Dorfstruktur erhalten.

Trotz dieser geschlossenen Anlage ist über die Jahrhunderte eine bauliche Vielfalt innerhalb der Höfe entstanden, die sich sowohl in dem als Denkmalbereich ausgewiesenen Dorfareal wie auch an dem hier vorgestellten Stall- und Scheunenkomplex widerspiegelt. Bemerkenswert ist vor allem, dass hier alle drei historischen Massivlehmbauweisen vereint sind. Das Wohnhaus, ein baulich angeschlossener Stall und die quer dazu angeordnete Scheune wurden vermutlich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in regional typischer Wellerlehmtechnik erbaut.  Mit Lehmsteinen wurde das Fachwerk der Innenwände im Wohnhaus sowie schadhafte Stellen ausgebessert. Später wurde diesem Gebäudekomplex noch ein Anbau in Pisé- oder Stampflehmbauweise hinzugefügt.

Charakteristischerweise ist die historische Ausprägung dieser Bauform hier durch enge Lagen aus Ziegelbruch gekennzeichnet. Während im modernen Stampflehmbau Kalkmörtel zwischen die einzelnen Lehmschichten gestampft werden, fand der Ziegelbruch in historischer Zeit Anwendung. Ähnlich wie bei den Kalkmörtelleisten funktionierte der Ziegelbruch als eine Art Wasserschlag oder Abtropfkante für die Stampflehmwand. Die Erosion der Lehmwand wird abgebremst, da diese härteren Lagen Regenwasser ableiten und die Abtragung tiefer liegender Lehmwandbereiche verhindern. Ursprünglich waren die Piséwände auch verputzt, wobei die Ziegellagen zusätzlich als Putzträger dienten.

Der Hof in Schleberoda ist ein Zeugnis der Vielfalt und der Langlebigkeit historischer Massivlehmbauten. Außerdem wird ihre Funktionalität auch darin deutlich, dass hier wie in alten Zeiten heute noch Vieh gehalten wird.

Schleberoda bildet den weihnachtlichen Jahresabschluss unserer Rubrik „Lehmhaus des Monats“, die vor allem verdeutlichen soll, wie vielgestaltig und spannend das Massivlehmbauerbe Mitteldeutschlands ist.

Die Initiative-GOLEHM wünscht damit eine schöne Vorweihnachtszeit, besinnliche Feiertage sowie einen guten Start ins neue Jahr!

Weitere Fotos mit Ochse und den übrigen Bewohners des Stalls findet Ihr auch auf unseren Facebook- und Instagram-Accounts.

Text: Lea Schulte & Norma Henkel
Foto: GOLEHM/ Norma Henkel


Lehmhaus des Monats November 2023

 

Wellerlehm und Fachwerk -

Ältestes ländliches Wohnhaus Thüringens

Im Gegensatz zum südlichen Sachsen-Anhalt, in der Massivlehmhäuser mit tragenden Wänden aus reinem Lehm vorherrschen, ist der ländliche Raum Thüringens durch Fachwerkhäuser geprägt. Weniger bekannt ist aber, dass häufig auch beide Bauarten in Mischbauweise miteinander kombiniert wurden. Ein Beispiel dafür ist das sogenannte Haus Abtsbessingen im Thüringer Freilichtmuseum Hohenfelden bei Erfurt. Es ist zudem nichts weniger als das älteste erhaltene ländliche Wohnhaus Thüringens und zugleich auch das älteste erhaltene Haus mit Wellerlehmwand das wir kennen. Um 1550 wurde das Haus im kleinen Ort Abtsbessingen im Kyffhäuserkreis errichtet und erhielt wenig später um 1584 noch einen Anbau in Fachwerkbauweise. In den letzten Jahrzehnten wurde es nicht mehr als Wohnhaus genutzt und verfiel zusehends. Als bedeutendes Zeugnis der ländlichen Baukultur Thüringens wurde es 2020 auf das Gelände des Freilichtmuseums transloziert, das heißt, teilweise in Großsegmenten (z. B. Dach), teilweise in Einzelsegmenten mit Spezialtransporten nach Hohenfelden umgesetzt. Insbesondere der Transport des Wellerstocks im Untergeschoss glich einem Kunststück.

Der Grund weshalb in Thüringen Fachwerkbauten vorherrschen ist einfach: es gab einfach mehr Bauholz. Die fruchtbaren Lösslehmböden Sachsen-Anhalts und der Leipziger Tieflandsbucht führten bereits in prähistorischer Zeit zu reger Siedlungstätigkeit und damit auch zur großflächigen Rodung von Waldbeständen. Der dadurch entstandene Mangel an Bauholz führte zusammen mit dem trockenen Klima im

Windschatten des Harzes und dem in großer Menge leicht verfügbaren Löss dazu, dass hier über Jahrhunderte reine Massivlehmbauten errichtet wurden. In Thüringen hingegen war mehr Bauholz verfügbar, was sich eben in der regionalen Baukultur ablesen lässt.

Die Kombination von massivem Wellerlehm-Untergeschoss und aufgesetztem Fachwerkobergeschoss ist besonders in den Randgebieten des mitteldeutschen Massivlehmbaus verbreitet. So ist in Thüringen die Region des Kyffhäuserkreises auch die, wo noch die meisten Massivlehmgebäude zu finden sind, aber eben auch viele Gebäude in Mischbauweise. Das Haus Abtsbessingen ist somit ein typischer Vertreter regionaler Baukultur, der gleichwohl zeigt wie weit der Massivlehmbau zurückreicht.

Nach seiner vollständigen, denkmalgerechten und originalgetreuen Sanierung mit einem um 1600 üblichen Dach aus Roggenstroh, Lehm- und Kalk-Gefachen, den typischen Fachwerkelementen wie Andreaskreuzen und Feuerböcken, einer Knüppelesse sowie der restaurierten Wellerwand, kann das Haus Abtsbessingen ab Frühsommer 2024, nach Ende der Winterpause im Freilichtmuseum Hohenfelden, dann in seiner ganzen Pracht und mit neu eingerichteter Dauerausstellung bewundert werden.

Auf der Website des Freilichtmuseums Hohenfelden sind Eindrücke von der Translozierung des Gebäudes zu sehen.

Weitere Fotos des Haus Abtsbessingen findet Ihr auch auf unseren Facebook- und Instagram-Accounts.

Text: Norma Henkel
Foto: GOLEHM/ Norma Henkel


Lehmhaus des Monats Oktober 2023

 

„Man muss es wollen“

Verwandlung eines Wellerlehmhauses in Müncheroda

Der Wunsch das Alte und Besondere des Hauses zu erhalten, hat Michaela Sutor und Steven Taubert in vier Jahren Bauzeit stets begleitet. Das äußerlich einst reizlose Gebäude im kleinen Dörfchen Müncheroda bei Freyburg im Burgenlandkreis haben die beiden in ein absolutes Schmuckstück verwandelt. In endlosen Arbeitseinsätzen am Wochenende haben sie das Haus gemeinsam mit vielen Freunden parallel zum Job ökologisch saniert. „Man muss es wollen“ sagt Steven Taubert. Durch den größtmöglichen Erhalt der historischen Gebäudesubstanz haben sie ein Kleinod geschaffen, an dem Besucher des Ortes oft anhalten um Fotos zu machen.  

Bereits für das Jahr 1612 erwähnt die Dorfchronik eine Nikol Peißker als erste Eigentümerin des Hauses. Ursprünglich war das Gebäude Teil eines größeren Hofes und wohl als Stall oder Scheune, später zeitweise auch als Tischlerei in Nutzung. Erst danach, vermutlich im 18. oder 19. Jahrhundert wurde es zum Wohnhaus umgenutzt. Bauzeitlich, also aus dem 17. Jahrhundert, sind wohl nur Teile des aus Bruchkalksteinen gemauerten Untergeschosses mit Gewölbekeller original erhalten. Dazu gehören auch die Reste einer engen, ausgetretenen sandsteinernen Wendeltreppe ins Obergeschoss, deren Unterseite im Zuge der Sanierung im Bad sichtbar erhalten wurde und dem Raum so einen ganz besonderen Charme verleiht.

Die Außenwände im Obergeschoss waren in typischer Wellerlehmbauweise, die innenliegenden Zimmerwände aus Fachwerk errichtet. Der alte Zementputz war auf gesamter Höhe des Erdgeschosses durchfeuchtet. Die maroden Balken des Dachstuhls und das Gebälk des Fachwerkgiebels mussten die Bauherren vollständig erneuern. Bei der Sanierung haben sie konsequent auf nachhaltige Materialien gesetzt. Die Innenwände wurden mit Lehmbauplatten und Lehmputz verkleidet und mit reinen Kalkfarben gestrichen, die Michaela mit Quark, Zitronensäure und Sumpfkalk angerührt hat. Die Dämmung des Dachgeschosses wurde mit Hanffasern ausgeführt. Auch der Wintergartenanbau im Hof ist in Anlehnung an die historische Bauweise als Fachwerk mit Lehmausfachungen gebaut wurden.

Auch Malou, der Hund des Hauses, fühlt sich in diesem Traumhaus pudelwohl.

Vorher-Nachher-Bilder und Fotos vom Inneren des Hauses mit Hund Malou findet Ihr auf unseren Facebook- und Instagram-Accounts.

Text: Norma Henkel
Foto: GOLEHM/ Norma Henkel


Lehmhaus des Monats September 2023

 

Lehmbau der Nachkriegszeit -

Grundschule Wallwitz

Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war in Deutschland geprägt von allgemeiner Wohnungsnot, Energieknappheit und einem Mangel an Baustoffen. Aus dieser Notlage heraus wurde der Lehmbau in der Zeit zwischen 1945 bis Ende der 1950er Jahre staatlich regelrecht propagiert. Grundlage dafür war eine schon 1944 im Reichsgesetzblatt erlassene Lehmbauordnung, in der die wichtigsten Regeln zum Bauen mit Lehm aufgestellt und später durch weitere Verordnungen im Rahmen der Bodenreform-Bauprogramme ergänzt wurden. Diese gingen soweit, dass ab 1953 praktisch jedes Bauvorhaben auf Lehmbautauglichkeit geprüft werden musste und andere Bauweisen nur genehmigt wurden, wenn der Standort für Lehmbauweisen ungeeignet war. Auf diese Weise gelangte der Lehmbau in den 1950er Jahren im Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR zu seiner vorerst letzten Hochphase. Zahlreiche Siedlungshäuser, sogenannte Neubauernstellen oder Behelfsheime aber auch ganze Siedlungen mit zweigeschossigen Mehrfamilienhäusern (z. B. Mücheln, Eptinger Rain) wurden aus Stampflehm errichtet. Parallel dazu entstanden mehrere Lehmbauschulen zur Ausbildung von  Lehmfachkräften sowie „Lehr- und Beratungsstellen für Naturbauweisen“ die als Anlaufstelle für private Bauherren dienten. Diese konnten dort ihren Baulehm auf Eignung prüfen, Gutachten erstellen und sich in Lehmbauarten beraten lassen.

Eine dieser Lehr- und Beratungsstellen wurde 1946 in Kombination mit einer dort angegliederten Lehmbauschule in Wallwitz (heute Gemeinde Petersberg, Saalekreis) gegründet. Dies war maßgeblicher Grund für den Bau der 1949 in Stampflehmbauweise errichteten Grundschule in Wallwitz. Die 50 cm dicken Stampflehmwände des langgestreckten, eingeschossigen Gebäudes wurden auf einem hohen Sockel aus regional typischem Porphyr in der üblichen Schalungsbauweise errichtet. Mittig auf dem Dach ziert ein Uhrenturm das Gebäude. Die Lehmsubstanz ist aufgrund der verputzten Wände – wie so oft – nicht sichtbar. Aus alten Unterlagen geht hervor, dass in der Stampflehmmischung neben Kies und Splitt auch Faserstoffe (Stroh) als Zuschlagstoff beigegeben wurde. Der Lehm selbst stammt wohl direkt aus dem Aushub des Fundaments für das Gebäude. Die heute unter Denkmalschutz stehende Grundschule Wallwitz ist eines der seltenen erhaltenen und heute noch öffentlich genutzten Lehmbauwerke der Nachkriegszeit und ein wichtiges Zeugnis für die letzte Blütezeit des Lehmbaus in Deutschland. Diese Hochphase währte jedoch nur kurz: bereits Ende der 1950er Jahre wurden alle Bemühungen um den Lehmbau eingestellt, die Lehr- und Beratungsstellen geschlossen und der vorläufige Siegeszug des Betons nahm seinen Lauf.

Weitere Fotos der Grundschule findet Ihr auf unseren Facebook- und Instagram-Accounts.

Text: Norma Henkel
Foto: GOLEHM/ Norma Henkel


Lehmhaus des Monats August 2023

 

Scheunenumbau in Fraßdorf, Lkr. Bitterfeld

Wer schon die ganze Welt gesehen hat und viel Großstadtluft geatmet hat, sehnt sich nach einem Rückzugsort, einem Ort des Friedens und der Ruhe. Diesen hat Denice Ramsey in Fraßdorf bei Köthen im Landkreis Anhalt-Bitterfeld gefunden – oder ist vielmehr gerade dabei sich diesen Traum zu erfüllen. Als Flugbegleiterin war sie schon in fast allen Ecken der Welt unterwegs und hat auch längere Zeit in den USA und in Japan gelebt. Dennoch zieht es sie nun in heimische Gefilde zurück: mit dem Umbau einer alten Wellerlehmscheune zum Wohnhaus soll hier ein Refugium entstehen, in dem sie dem Großstadttrubel entfliehen kann. Die Entscheidung fiel dabei aufgrund der vielen positiven Eigenschaften des Baustoffs Lehms ganz bewusst auf ein mitteldeutsches Massivlehmhaus.

Für die material- und fachgerechte Sanierung hat Denice unseren Bündnispartner KOBA-Bau gewonnen. Die in Dessau ansässige Firma von Geschäftsführer Kay Frömmigen hat sich auf ökologisches Bauen und Sanieren spezialisiert und bereits viel Erfahrung mit Massivlehmbauten erworben. Mit „Hilfe zur Selbsthilfe“ unterstützen sie auch Bauherren, die selbst Hand anlegen wollen mit Beratung, Personal oder Putzmaschine.

KOBA-Bau leitet nun die ausführenden Bauarbeiten – aktuell werden typische Schäden an der Lehmsubstanz sowie der Natursteinsockel ausgebessert.

Die ehemalige Scheune ist Teil eines kleinen Zweiseithofes der vermutlich zwischen Anfang und Mitte des 19. Jahrhundert errichtet wurde. Das eigentliche Wohnhaus war leider in so schlechtem Zustand, dass es abgerissen werden musste. Stattdessen wird nun unter Wiederverwendung des Lehms aus dem Abriss die Scheune zum Wohnhaus umgestaltet. Ungewöhnlich ist die L-Form des Gebäudes: anstelle des beim historischen Wellerlehmbau sonst üblichen einfachen rechteckigen Gebäudegrundrisses, wurde hier die nördliche Verlängerung schon bei der Errichtung umgesetzt – wie dies die fugenlose Wellerlehmwand belegt. Auch hier zeigt sich für uns wieder die Vielfalt des historischen Massivlehmbaus in Mitteldeutschlands.

Weitere Fotos von der Baustelle findet Ihr auf unseren Facebook- und Instagram-Accounts.

Text: Norma Henkel
Foto: GOLEHM/ Norma Henkel


Lehmhaus des Monats Juli 2023

 

Gutshaus in Kaltenmark (Saalekreis) erwacht zu neuem Leben

Wahrlich herrschaftlich erhebt sich das alte Gutshaus im Petersberger Ortsteil Kaltenmark im Saalekreis aus Richtung Halle kommend mit seiner 5-achsigen Front im Zentrum des Ortes. Bis vor wenigen Jahren war das unter Denkmalschutz stehende Wohnhaus noch ein Ärgernis im Ort – seit den 2000er Jahren stand es leer, die marode Bausubstanz war nur notdürftig mit einem Bauzaun gesichert. Bis Vera und Jacob das Haus im Jahr 2016 für einen symbolischen Preis übernahmen und seitdem behutsam, denkmal- und materialgerecht in Eigenleistung sanieren.

Der stattliche zweigeschossige Wellerlehmbau wurde spätestens in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts – vielleicht sogar noch früher im 18. Jahrhundert – errichtet und war Teil eines ehemaligen Vierseithofes mit zwei Scheunen, einem Pferde- und einem Kuhstall. Diese waren
vermutlich ebenfalls in Wellerlehmweise erbaut, sind heute aber nicht mehr erhalten. Überliefert ist der Name einer Familie Koch, die den Gutshof einst bewirtschaftete.

Der Wellerlehmbau war die für die Region typische Massivlehmbauweise im 18. und 19. Jahrhundert. Dabei wurde ein nasses Stroh-Lehmgemisch in dicken Lagen (Sätzen) zu Mauern aufgeschichtet die später an den Außenseiten gerade abgestochen wurden. In den noch feuchten Lehm der schon begradigten Wellerwände wurden hier in regelmäßigen Abständen Ziegelbruchstücke eingedrückt. Dies sollte eine bessere Anhaftung des demnach vorgesehenen Putzes gewährleisten. Die heute sichtbaren Putzreste sind jedoch nicht bauzeitlich sondern einer späteren Erneuerung etwa in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts zuzuschreiben.

Zusammen mit Kater Wu haben sich Vera und Jacob auf Ihrer Baustelle wohnlich eingerichtet und den großen Wohn-, Arbeits- und Schlafbereich mit Lehm verputzt. An weiteren Zimmern wird derzeit gearbeitet, wobei möglichst viel Lehm wiederverwendet wird. Auch die Holzfenster wurden second hand beschafft. Wir freuen uns, dass dieses Schmuckstück seine Retter gefunden hat und wünschen ihnen viel Freude und Schaffenskraft.

Weitere Fotos des Gutshauses in Kaltenmark findet Ihr auf unseren Facebook- und Instagram-Accounts.

Text: Norma Henkel
Foto: GOLEHM/Lea Schulte


Lehmhaus des Monats Juni 2023

 

Alte Brauhausscheune und Feuerwehr von Tröbsdorf (BLK)

„Allen wird bekannt gemacht, dass keiner in den Bach reinkackt, denn morgen wird gebraut!“

So ist diese Regel auf einer Plakette an der alten Brauhausscheune in Tröbsdorf bei Laucha noch überliefert. Das Braurecht war dem malerischen Dörfchen im Unstruttal im Jahr 1904 zugestanden worden. Dementsprechend wurde hier bis Ende des 19. Jahrhunderts Bier meist für den Eigenbedarf der Dorfbewohner gebraut. Ob die Wellerlehmscheune mit dem imposanten Sockel aus behauenen Buntsandsteinblöcken auch ursprünglich als Brauhaus geplant worden ist, ist nicht festgehalten. Auch der Grund für die auffällige Verschmälerung des Grundrisses bleibt unbekannt. Da die Wände in einem Zug errichtet worden sind, war der Knick vermutlich wegen eines nicht mehr existenten Gebäudes an dieser Stelle baulich notwendig – ein bei der Wellerlehmbauweise recht anspruchsvolles Unterfangen und somit auch Zeugnis für das bauliche Können im ländlichen Raum des 19. Jahrhunderts. So wurden aus Lehm als sehr vielfältigen Baustoff auch verschiedenste Gebäudetypen errichtet: neben den üblichen Wohnhäusern und Scheunen lassen sich auch Gasthöfe, Fischerhäuser, Schäfereien oder Backhäuser aus Massivlehm finden.

Irgendwann im 20. Jahrhundert kam es dann zu einer Umnutzung des Gebäudes in Tröbsdorf: seitdem dient es als Gerätelager und Garage der Freiwilligen Feuerwehr des Ortes und verweist damit auf eine weitere positive Eigenschaft des Baustoffs: Lehm ist aufgrund seiner Zusammensetzung nicht brennbar.

seitdem dient es als Gerätelager und Garage der Freiwilligen Feuerwehr des Ortes und verweist damit auf eine weitere positive Eigenschaft des Baustoffs: Lehm ist aufgrund seiner Zusammensetzung nicht brennbar.

Dies wurde jüngst übrigens auch mit modernen wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen: im Jahr 2022 führte die Materialforschungs- und Prüfanstalt (MFPA) Leipzig einen Brandversuch mit verschiedenen Stampflehmkonstruktionen durch, mit eindeutigen Ergebnissen. So zeigten 3x3m große Stampflehmwände von verschiedener Wandstärke nur minimale Verformungen durch die Hitze; die Temperatur blieb unterhalb der obersten Wandschicht stets niedrig. Generell zeigte der Baustoff eine große Widerstandsfähigkeit, sowohl gegen Feuer als auch hinsichtlich der konstruktiven Tragfähigkeit.

Ein Bericht über die Versuche kann hier nachgelesen werden: Feuerprobe für den Lehmbau. Bericht auf DBZ.de.

Somit erfüllt Lehm als Baustoff die Anforderungen für die Einstufung in die Baustoffklasse A1 („nicht brennbar“) und kann daher mit Materialien wie Beton oder Kalk verglichen werden, jedoch ohne dabei die Umwelt zu belasten. Lehm ist also nicht nur ein sehr umweltfreundlicher, sondern auch ein äußerst brandsicherer Baustoff.

Weitere Fotos des Gebäudes in Tröbsdorf findet Ihr auf unseren Facebook- und Instagram-Accounts.

Text: Lea Schulte & Norma Henkel
Foto: GOLEHM/Norma Henkel


Lehmhaus des Monats Mai 2023

Touristeninformationszentrum Pömmelte

Erster moderner Stampflehm-Neubau Sachsen-Anhalts eröffnet

Im Gegensatz zu allen bisherigen Lehmhäusern auf dieser Seite ist dieses hier brandneu. Es ist nach 70 Jahren der erste moderne Bau in Mitteldeutschland, der wieder mit tragenden Wänden aus Stampflehm errichtet wurde.

Pömmelte ist ein spezieller Ort. Vor über 4000 Jahren erhob sich hier ein riesiges Ringheiligtum, das seine nächste Parallele im südenglischen Stonehenge findet. Seit 2016 ist es rekonstruiert und der für Besucher zu erleben. Direkt am Ringheiligtum legten Archäologen in den vergangenen Jahren die größte frühbronzezeitliche Siedlung in Mitteleuropa frei.

Geschichte verpflichtet. Deshalb war klar, der Bau einer neuen Infrastruktur muss sich an den Langhäusern der Ahnen orientieren. Der Salzlandkreis hat hier als mutiger, zukunftsgewandter Bauherr agiert. So entspricht der Entwurf der Wahl in der Kubatur den Jahrtausende alten Grundrissen und auch die traditionellen Baumaterialien wurden modern interpretiert. Einzige Ausnahme ist die Betondecke. Dafür kann die Lehmhülle beweisen, welche Lasten sie tragen kann: Die Decke wieg an die 300 Tonnen.

Die Arbeit am Wandaufbau leisteten über die Sommermonate 2021 etwa 50 Freiwillige, vom Studierenden bis zum Bauingenieur und interessierten Laien.

Insgesamt wurden 130 Tonnen Lehm in die hölzerne Schalung gestampft. Hand in Hand formten Studierende, interessierte Laien und Handwerker die Erde. Der Dachverband Lehm e.V. ermöglichte auf der Baustelle auch eine zertifizierte Fortbildung für Fachkräfte im Lehmbau, sodass das fast verlorene Wissen wieder in die Lehmbau-Region Mitteledeutschland getragen wurde.

Am 5. Mai 2023 wird das TIZ offiziell seine Pforten öffnen – neben dem tollen Raumklima hält es zahlreiche Informationen zu den archäologischen Sensationen und dem mindestens genauso sensationellen Lehmbauerbe bereit. Wir wünschen zahlreiche Besucher!

Bauträger: Salzlandkreis
Architektenleistung: sußmann + sußmann, Magdeburg
Tragwerkplanung, Fachplanung Lehmbau: ZRS Ingenieure, Berlin
Ausführung Lehmbau: Zimmerei Heinrichs, Hiddenhausen

Weitere Fotos aus Pömmelte findet Ihr auf unseren Facebook- und Instagram-Accounts und unter Aktuelles.

Text: Franziska Knoll
Foto: GOLEHM


Lehmhaus des Monats April 2023

Woran erkennt man ein Massivlehmhaus?

Hier am Beispiel eines Wohnhauses in Markröhlitz, Lkr. Burgenlandkreis

Woran erkennt man ein Massivlehmhaus wenn es verputzt ist?

In Mitteldeutschland existieren schätzungsweise noch mehrere zehntausend Massivlehmgebäude. Die meisten davon wurden im 19. Jahrhundert errichtet. Diese Dichte an Massivlehmbauten ist europaweit einzigartig und dennoch ein in weiten Teilen unbekanntes Phänomen. Das liegt unter anderem auch daran, dass die meisten Häuser - vor allem Wohnhäuser - verputzt sind und die Bausubstanz dadurch nicht sichtbar ist. Es gibt jedoch einige Anzeichen an denen man die Lehmhäuser erkennen kann. Diese Merkmale möchten wir anhand eines Beispiels aus Markröhlitz im Burgenlandkreis erläutern. Das zweigeschossige Wohnhaus ist ein häufig vorkommender charakteristischer Typ im Massivlehmbestand Mitteldeutschlands. 

Einfach ist es, wenn der Putz Fehlstellen aufweist und so den Blick auf die darunter liegende Massivlehmsubstanz freigibt. Dies ist bei unserem Lehmhaus in Markröhlitz aber nicht der Fall. Der Sockel selbst bildet aber ein erstes wichtiges Indiz: zum Schutz vor aufsteigender Feuchtigkeit wurden die Lehmwände immer auf einem Ziegel- oder Natursteinsockel aufgesetzt.

Die Fensteröffnungen sind meist relativ klein und häufig unregelmäßig angeordnet. Beim gewählten Beispiel ist die Größe, Anzahl und Anordnung der Fensteröffnungen im Zuge eines Austausches mit Kunststofffenstern beibehalten worden. Durch die Fensterlaibung lässt sich auch die Wanddicke erahnen: gerade bei den 60-100 cm dicken Wänden von Wellerlehmbauten ist das Gebäude sicher als Massivlehmbau bestimmbar.

Die Häuser haben meist eine einfache Kubatur (Gestalt/Form des Baukörpers) mit Satteldach oder Krüppelwalmdach (abgeschrägte Giebelspitze), wobei der Dachüberstand zum Schutz der Bausubstanz oft vergleichsweise groß ausfällt.

Dennoch: DAS eine typische Lehmhaus gibt es nicht. Je nach Bautyp, Nutzungsform und Bauzeit sind stets Abweichungen vom beschriebenen Standard oder Überprägungen durch spätere Um- und Anbauten nicht selten. Auch wir im GOLEHM-Team werden immer wieder vom Variantenreichtum des Massivlehmbauerbes in Mitteldeutschland überrascht. Letztlich geben uns die Bewohner selbst auch immer wieder bereitwillig Auskunft und freuen sich über das Interesse an den ihrem Haus.

Text: Norma Henkel
Foto: GOLEHM/Norma Henkel


Lehmhaus des Monats März 2023

Bauruinen ohne Sondermüll

Verfallende Wellerlehmscheune in Oechlitz, Lkr. Saalekreis

Das Lehmhaus des Monats März führt uns in das kleine Dorf Oechlitz im Saalekreis. Hier steht die Ruine eines um 1869 errichteten Bauernhofes.

Nachdem das Lehmhaus des Monats Februar gezeigt hat, wie die fachgerechte Sanierung den Charme eines Lehmhauses wiederherstellen kann, zeigen die verfallenden Gebäude in Oechlitz, was mit Lehmbauten passiert, die vergessen und den Elementen überlassen werden. Von dieser Scheune aus Wellerlehm stehen nur noch die Grundmauern. Ein Schicksal das viele Lehmbauten in Mitteldeutschland trifft; häufig werden sie abgerissen oder aufgrund von Geldmangel oder fehlendem Wissen um die Bedeutung des Baustoffs und die fachgerechte Sanierung dem Verfall überlassen. So trist der Blick auf die maroden Wände dieses Baus doch sein mag, so zeigt er doch die zahlreichen positiven Eigenschaften des Baustoffs Lehm auf. Leicht zu erkennen ist vor allem die Zusammensetzung des Baus. Es handelt sich bei der Scheune um einen Wellerlehmbau, dies erkennt man an den horizontal verlaufenden Linien zwischen den verschiedenfarbigen, ca. 70 cm hohen Lehmstöcken oder -sätzen.

Der Wellerlehmbau war in Mitteldeutschland insbesondere im 19. Jahrhundert die häufigste Lehmbauweise, da sich die Gebäude wesentlich schneller und einfacher errichten ließen als aus Stampflehm.

Abseits handwerklicher Aspekte spielt auch die Ökologie eine Rolle. Lehm als Naturprodukt lässt sich zu 100 % recyceln oder wird aufgrund seiner Wasserlöslichkeit wieder eins mit seiner Umgebung ohne nichtabbaubare Rückstände zu hinterlassen. Ökologische Verträglichkeit - zu beobachten in Echtzeit.

Darüber hinaus bieten die brüchigen Lehmwände der Scheune Kleintieren, Vögeln und Insekten Lebensraum. Insbesondere für die unter Naturschutz stehenden Solitärbienen, die kleine Höhlen in das Material graben, stellen Lehmwände ein ideales Habitat dar.

Hinsichtlich dieses verfallenden Lehmbaus bieten sich verschiedene Umgangsmöglichkeiten an. Der Bau könnte, so schade es auch sein mag, den Elementen überlassen werden und somit immerhin für die Tier- und Pflanzenwelt einen Lebensraum darstellen. Der Baustoff würde nach und nach durch Witterung und Tierwelt abgetragen, ohne dabei eine Belastung für die Umwelt darzustellen. Andererseits könnte das Material der Wellerwände abgetragen und bei der Sanierung anderer Lehmbauten ohne Quailitätsverlust wiederverwendet werden.

Weitere Fotos dieses Gehöfts findet Ihr auf unserem Facebook- und Instagram-Account.

Text: Lea Schulte
Foto: Norma Henkel


Lehmhaus des Monats Februar 2023

Ausgezeichnet mit dem Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege

Denkmalgerecht saniertes Wohnhaus in Stampflehmbauweise in Dessau-Großkühnau

Das Grundstück überwuchert, marodes Balkenwerk, die Giebelseiten eingefallen und zuletzt nur noch als Schafstall genutzt - so übernahm unser Beiratsmitglied Jörg Singer das um 1860 erbaute Bauernhaus in Stampflehmbauweise im Dessauer Stadtteil Großkühnau. In den folgenden vier Jahren hat er das Haus mit viel Liebe zur historischen Bausubstanz fast vollständig in Eigenleistung material-, fach- und vor allem denkmalgerecht saniert. Sein Anspruch war dabei so authentisch wie möglich zu bleiben und ausschließlich Materialien und Techniken anzuwenden wie sie im 19. Jahrhundert verwendet worden sind. Im ersten Schritt kaufte er sich ein Buch zum Stampflehmbau (Niemeyer 1946 - siehe Literaturliste), las es durch und rekonstruierte anhand dieser Vorgaben die Hauswände. Die Stampflehmsubstanz war durchfeuchtet und instabil geworden. Daher wurde das Dach abgestützt und die Mauern in der üblichen Schalungsbauweise mit dem wiederverwendeten originalen Baulehmlehm erneut hochgestampft.

Auch für alle anderen Bauteile wie die Dacheindeckung mit Biberschwanzziegeln, Dielenbretter und Deckenbalken verwendete er originale historische Baustoffe, die er sich aus Abrissobjekten in der Umgebung holte und ihnen so ein zweites Leben einhauchte. Baumarktbesuche waren so gut wie gar nicht notwendig und auch nicht gewollt.

Die Fenster hat er nach einem letzten erhaltenen Originalbefund von einem lokalen Tischlereibetrieb aufwändig nachbilden lassen. Selbst die Beschläge ließ er zusätzlich von einem Schmied nach den originalen Vorlagen anfertigen. Es dauerte eine Weile noch Handwerker zu finden, die seinen Wünschen nach bester handwerklicher Qualität und Authentizität nachkommen konnten.

Das kleine, ursprünglich dreiseitig angelegte Gehöft war ein sogenannter Kossäten-Hof, also ein Anwesen von kleinbäuerlichen Dorfbewohnern mit geringem Landbesitz. Das Haus zählt zu den ältesten erhaltenen Gebäude Großkühnaus. Zum Hof gehört auch eine kleine Scheune aus gleicher Zeit, die Jörg Singer mit der gleichen Sorgfalt saniert hat.

Für die Sanierung wurde Jörg Singer im Jahr 2008 mit dem "Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege" von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz ausgezeichnet. In unserem wissenschaftlichen Beirat wirkt Jörg Singer als Vertreter der privaten Bauherrenseite die das mitteldeutsche Massivlehmbauerbe schätzen und erhalten wollen.

Weitere Fotos vom Haus findet Ihr auf unserem Facebook- und Instagram-Account.

Text & Foto: Norma Henkel


Lehmhaus des Monats Januar 2023

Wohnhaus in Markwerben, Lkr. Burgenlandkreis

Unser Lehmhaus des Monats ist ein ehemaliges Wohnhaus in Markwerben nahe Weißenfels im Burgenlandkreis - einer Kernregion der mitteldeutschen Massivlehmtradition. Das Erdgeschoss des noch weitgehend ursprünglich erhaltenen zweigeschossigen Gebäudes ist traufseitig auf einem Naturstein- und Ziegelsockel aus massiven Lehmwänden (Wellerlehmtechnik) errichtet worden. Das Obergeschoss wurde regional typisch als Fachwerkkonstruktion aufgesetzt. Ganz pragmatisch ist die westliche (wetterseitige) Giebelwand vollflächig aus Ziegelsteinen gemauert worden, wohingegen die Kombination aus Wellerlehm- und Fachwerkgeschoss bei der östlichen (wettergeschützten) Giebelwand wiederholt wurde.

Die Gefache des Obergeschosses sind mit Ziegelsteinen ausgemauert und verputzt. Die bläuliche Farbe des Anstriches ist womöglich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgebracht worden, einer Zeit als mit der Erfindung von synthetischen Blaupigmenten solche auch für die ländliche Bevölkerung erschwinglich geworden waren. Da der Kern des Gebäudes, etwa anhand des original erhaltenen Türtypus, wahrscheinlich mindestens in das 18. Jahrhundert datiert, ist davon auszugehen, dass die Ausfachung der Holzkonstruktion irgendwann erneuert wurde. Nicht unwahrscheinlich ist, dass diese ursprünglich auch mit ungebrannten Lehmsteinen ausgemauert war.

Text & Foto: Norma Henkel


Lehmhaus des Monats Dezember 2022

Ausgezeichnet! - Fachgerecht saniertes Wellerlehmhaus in Leipzig erhält den Hieronymus-Lotter-Preis für Denkmalpflege 2022 der Kulturstiftung Leipzig

Das kleine um 1830 errichtete Tagelöhnerhaus in Wellerlehmbauweise ist eines der wenigen erhaltenen Gebäude des historischen Ortskerns von Lössnig, heute Stadtteil im Leipziger Süden. Es gehört zum Gelände der Freien Waldorfschule Karl-Schubert und war Teil eines alten Rittergutes, dessen Geschichte bis ins Mittelalter zurückreicht. Mit der behutsamen Sanierung des vom Verfall stark bedrohten Kleinodes in den Jahren 2017 bis 2018, hat die Schule als Bauherrin das Gebäude nicht einfach nur gerettet sondern dem Lehmbau auch denkmal- und materialgerecht wieder ein zweites Leben eingehaucht. Auch in seiner Innenausstattung mit Lehmputzwänden und Naturholzeinbauten bietet es den Schülern heute als Schulcafé ein ausgesprochen angenehmes Ambiente.

In den ländlichen Gebieten im Leipziger Umland finden sich heute noch zahlreiche Massivlehmbauten, die meisten davon in der Lehmwellertechnik errichtet. Dabei wird ein durchfeuchtetes Stroh-Lehm-Gemisch mit der Mistgabel auf einem Natur- oder Ziegelsteinsockel aufgeschichtet. Nach der Trocknung werden die Wände mit einem geraden Spaten abgestochen und die nächste Lage darüber aufgehäuft bis die gewünschte Mauerhöhe erreicht ist.

Im Fall des Tagelöhnerhauses wurde der Sockel aus Ziegelsteinen mit verputzt, sodass er nicht mehr sichtbar ist. Die Außenwände wurden mit Kalk und die Innenwände mit Lehmmörtel verputzt.

Für die vorbildliche Sanierung wurde der Schule als Bauherrin nun im Rahmen der Denkmal-Messe in Leipzig der Hieronymus-Lotter-Preises für Denkmalpflege 2022 der Leipziger Kulturstiftung verliehen. Grund genug für uns das Tagelöhnerhaus auch gleich als Lehmhaus des Monats Dezember zu machen. Das GOLEHM-Bündnis ist hocherfreut, dass das mitteldeutsche Massivlehmbauerbe auf diese Weise nocheinmal positive Aufmerksamkeit erhält.

Bauherr: Karl Schubert Schule Leipzig, Freie Waldorfschule e. V.

Architekt: Hartmut Sebastian Schneider, Leipzig

Tragwerksplanung und Fachplanung Lehmbau: ZRS Ingenieure, Berlin

Ausführung Lehmbauarbeiten: Lovis Lehmbau, Dreiskau-Muckern

Weitere Bilder finden Sie unter Aktuelles.

Text & Foto: Norma Henkel


Lehmhaus des Monats November 2022

Stampflehmscheune in Süßenborn OT Weimar

Auch im ländlichen Raum Thüringens lassen sich viele Zeugnisse des mitteldeutschen Massivlehmbauerbes entdecken. Neben zahlreichen Wellerlehmgebäuden und Bauwerken aus Lehmsteinen, ist hier auch die historische Stampflehm- oder Pisébauweise belegt. An dieser Scheune im Dorf Süßenborn, einem Ort östlich von Weimar, wird die Bautechnik besonders veranschaulicht: über einem Natursteinsockel, der vor aufsteigender Feuchtigkeit schützen sollte, wurde in einer Verschalung aus Holz lagenweise Lehm eingebracht und festgestampft. Hier wurden die einzelnen Stampflagen durch die Einlage von Dachziegelbruchstücken voneinander getrennt. Aufgrund stellenweise noch erkennbarer Putzreste war das Gebäude wohl einst weiß verputzt. Durch das Fehlen der Putzschicht ist die Tragfähigkeit der Wände jedoch nicht gefährdet:

 

auch bei Schlagregen bleiben die Lehmschichten geschützt, da das Wasser an den überstehenden Dachziegellagen abtropft. Der in Fachwerkbauweise errichtete Giebel ist mit recht grob Ziegelsteinen ausgefacht. Nicht unwahrscheinlich ist, dass die Gefache einst auch mit Lehmsteinen ausgemauert waren und - wie im Fachwerkbau üblich - irgendwann erneuert worden sind.

Mit der Stampflehmtechnik sollte eine höhere Festigkeit des Lehms erzielt werden. Gleichzeitig wurde die Trocknungszeit deutlich verkürzt, da im Gegensatz zum nassen Stroh-Lehmgemisch beim Wellerlehm, nur erdfeuchter Lehm gestampft wurde. Dennoch war die Stampflehmtechnik aufgrund der Holzschalung mit einem höheren Aufwand verbunden und blieb in Mitteldeutschland gegenüber den Wellerlehmbauten auch deshalb in der Minderzahl.

Text & Foto: Norma Henkel


Lehmhaus des Monats Oktober 2022

Lehmsteinscheune in Klosterhäseler, Burgenlandkreis

Gebäude aus massivem Lehm prägen den ländlichen Raum Mitteldeutschlands seit Jahrhunderten. Während der Lehmwellerbau die vorherrschende Massivlehmtechnik in der Region war, sind Bauten aus Lehmsteinen  - also ungebrannten, luftgetrockneten Lehmformsteinen vergleichsweise selten. Viel häufiger finden sich Lehmsteine in Form von Ausfachungen an Fachwerkkonstruktionen. Im Burgenlandkreis im Süden Sachsen-Anhalts - einer Hochburg des Massivlehmbaus - finden sich dennoch einige Zeugnisse dieser historischen Lehmbauweise.

Der vordere Teil dieser großen Scheune in Klosterhäseler ist ein Beispiel dafür, dass auch großformatig mit Lehmsteinen gebaut wurde. Der hintere Teil wurde dagegen ganz traditionell in Wellerlehmbauweise errichtet - die Trennung beider Techniken lässt sich an der veränderten Wandstruktur im Bereich des Fallrohrs der Dachrinne gut erkennen. Die Scheune ist Teil eines großen Dreiseithofes, dessen Gründung vermutlich in das 19. Jahrhundert gelegt werden kann. Da die Wirtschaftsgebäude in der Regel unverputzt blieben, ist die mitteldeutsche Massivlehmtradition an ihnen besonders gut erkennbar und belegt gleichzeitig die hohe Stabilität und Dauerhaftigkeit von Lehmhäusern.

Text & Foto: Norma Henkel


Lehmhaus des Monats September 2022

Vollhardthaus, Dölitzer Wassermühle in Leipzig

Die Dölitzer Wassermühle ist ein denkmalgeschützter historischer Mühlenhof im Leipziger Süden. Zu dem Denkmalensemble, bestehend aus mehreren Fachwerkhäusern aus vier Jahrhunderten, gehört auch das sogenannte Vollhardthaus, ein kleines, in Lehmwellerbauweise errichtetes Massivlehmhaus. Zur Zeit der Völkerschlacht bei Leipzig (1813) lebte hier der Gerichtsschöffe Gottlieb Vollhardt, nach dem das Lehmhaus benannt ist. Das im 18. Jahrhundert errichtete Haus war bis in die 1980er Jahre bewohnt und wurde in den letzten Jahren durch verschiedene Baumaßnahmen behutsam denkmalgerecht und ökologisch saniert. Die Innen- und Außenwände wurden mit Lehmputz versehen und verstärken so den ganz eignen Charme des Lehmhauses. Heute wird das Haus als Galerie für Fotoausstellungen genutzt. Um den Erhalt der Dölitzer Wassermühle kümmert sich bereits seit 1992 der Verein Grün-Alternatives Zentrum Leipzig e. V.

Auf dem Gelände gibt es zudem auch einen Lehmbackofen der bei Hoffesten und Veranstaltungen angeheizt wird.

Unser Tipp: zum Tag des offenen Denkmals 2022, am 11. September, wird am Vollhardthaus eine Schaubaustelle eingerichtet, in deren Rahmen schadhafte Stellen am Außenputz abgeschlagen und neu verputzt werden. Dabei bietet sich Besuchern die Gelegenheit einem erfahrenen Lehmbauer über die Schulter zu blicken und dabei spannende Einblicke in das Bauen mit Lehm zu erhalten. Zusätzlich können Kinder ihr eigenes Mehl mahlen, Lehm kreativ gestalten oder Lehmziegel herstellen und eine Mühlenrallye über das Gelände machen. Weitere Infos zur Schaubaustelle gibt es auf der Webseite der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.

Unsere Empfehlung für einen Besuch vor Ort - nicht nur zum Tag des offenen Denkmals!

Text & Foto: Norma Henkel