Bautechniken Massivlehm in Mitteldeutschland

Lehmbauten in Mitteldeutschland sind wesentlicher Teil des baukulturellen Erbes. Sie prägen die Landschaft und sind gleichzeitig ohne die klimatischen und geologischen Gunstfaktoren nicht denkbar.

Typisch sind sogenannte massive Lehmbauten. Die tragenden Außenwände aus Lehm werden dabei in verschiedenen Techniken errichtet: Der Lehm wird mit Zusatzstoffen vermengt und entweder nass angehäuft, erdfeucht verdichtet oder als Lehmstein trocken vermauert. Zu den traditionellen historischen Massivlehm-Bauweisen in Mitteldeutschland zählen der Lehmweller-, der Stampflehm- und  der Lehmsteinbau.

Bei den meisten Lehmgebäuden hier im Mitteldeutschen Trockengebiet handelt es sich um sogenannte Lehmwellerbauten. Die Bauweise ist seit dem 16. Jahrhundert schriftlich und baulich belegt. In Wellerbauweise entstanden sowohl Wohnhäuser als auch Wirtschaftsgebäude. Aufgrund des Holzmangels im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung im frühen 19. Jh. wurde oftmals Lehm als Baustoff für das Erdgeschoss verwendet. Darauf wurde ein Obergeschoss aus Fachwerk gesetzt. Zweigeschossige Wohnhäuser jüngeren Datums wurden häufig komplett aus Wellerlehm errichtet. Für den Giebel verwendete man konstruktionsbedingt Lehmsteine oder-patzen.

Zur Bauweise:

Zunächst wurde eine Mischung aus Lehm und langem (Roggen-)Stroh vermengt und aufbereitet. Das Aufhäufen des noch nassen Wellerlehms erfolgte mit einer Mistgabel oder einer Schaufel. Um die Lehmwand gegen die Bodenfeuchte zu schützen, setzt man sie auf einen Sockel aus Natur- oder Ziegelsteinmauerwerk. Das Anhäufen der Wand erfolgte von Hand in mehreren Sätzen von bis zu 80 cm Höhe. Nach Abtrocknung der einzelnen gehäuften Lagen wurden diese fluchtgerecht mit einem Spaten abgestochen und dadurch begradigt. Die Wände erreichten eine Stärke von 0,60 m bis 1,00 m. Abschließend diente das Eindrücken kleiner Schlackestücke oder anderer Fragmente in die Wellermasse zur Vorbereitung des Putzauftrags, um die Haftung zu erhöhen. Nutzbauten blieben in der Regel unverputzt.


Der Stampflehmbau (frz. Pisé) wurde in Frankreich Ende des 18. Jh. durch den Baumeister und Architekten François Cointereaux wieder bekannt gemacht und fand kurz drauf auch in Deutschland für den Hausbau umfangreiche Anwendung. Eine weitere Hochphase erlebte die Bauweise in Mitteldeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg – nun aufgrund der vorherrschenden Energieknappheit. Hier wurde der Stampflehmbau, insbesondere im Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone, der späteren DDR, propagiert. Die letzten Massivlehmbauten entstanden in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts.

Zur Bauweise:

Der Stampflehmbau des 19. Jahrhunderts benötigte ein Holzgerüst. Für die sog. Pisé-Technik wurde erdfeuchter Lehm verwendet, da sonst eine Verdichtung des Substrats nicht möglich war. Mithilfe einer kleinen Holzschalung, die man für den Wandaufbau mehrmals verschob, wurden die einzelnen Sedimentschichten etwa 10–15 cm hoch aufgeschichtet und dann mithilfe eines hölzernen Stampfers verdichtet. Die gängigen Wandstärken lagen bei etwa 40–60 cm. Die einzelnen Stampflagen wurden traditionell zur besseren Witterungsbeständigkeit mit Ziegelbruchleisten voneinander getrennt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden auch keilförmige Kalkmörtelleisten an den Oberflächen eingestampft. Die Stampflehmlöcher der Holzschalung, die heute noch an den Wänden sichtbar sind, verblieben in der Wand und wurden mit Pflastersteinen oder Ziegelbruchstücken zugesetzt.


 

Der historische Lehmsteinbau tritt in Mitteldeutschland im Vergleich zum Lehmweller- und Stampflehmbau eher selten in Erscheinung. Lehmsteinwände besitzen im Hausbau wie ihr Pendant aus gebrannten Ziegeln eine tragende Funktion. Häufig zu beobachten – insbesondere bei Lehmwellerbauten – sind aus Lehmsteinen aufgemauerte Hausgiebel, da an dieser Stelle Wellermauern schlicht technisch schwer umzusetzen sind.

Zur Bauweise:

Der Begriff "Lehmstein" umschreibt ungebrannte Lehmziegel und umfasst verschiedene Formen und Formate, die grundsätzlich in einem regelmäßigen Verband mit Lehmmörtel als Mauerwerk gesetzt wurden. Bei der Herstellung von Lehmsteinen fanden nahezu alle Baulehme Verwendung – dabei wurde das mit organischen Zusätzen versehene Lehmgemisch in hölzerne Formen gestrichen, selten von Hand geformt. Nach dem Austrocknen wurden die Lehmsteine wie Ziegel vermauert.